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Culture 2000

European Union

 

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Archäologie in Deutschland 4/2002, 01.07.2002

Wege in die historische Kulturlandschaft

by Rüdiger Kelm & Dirk Meier


Was sind historische Kulturlandschaften? Wie können sie erfasst und an interessierte Besucher vor Ort fachkundig vermittelt werden? Fragen, mit denen sich das europäische Projekt »Wege in die Kulturlandschaft« beschäftigt, in dessen Rahmen das Archäologisch-Ökologische Zentrum Albersdorf in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Küstenarchäologie des Forschungs- und Technologiezentrums Westküste der Universität Kiel die kulturgeschichtlichen Denkmäler in Westholstein dokumentiert.

An Schleswig-Holsteins Nordseeküste liegt zwischen der Elbe im Süden und der Eider im Norden der Kreis Dithmarschen, dessen von bewaldeten Altmoränenkernen, vermoorten Niederungen und Marschen geprägte Kulturlandschaft rund 200 Jahre alt ist. Großsteingräber, Grabhügel, Burgen und eine vielfältige historische Bausubstanz zeugen jedoch von einem viel weiter zurückreichenden kulturellem Erbe, das aber bisher noch nicht systematisch erfasst und ausgewertet werden konnte. Besonders viele vorgeschichtliche Stätten finden sich in der Region um den inmitten einer Waldlandschaft im östlichen Teil Dithmarschens gelegenen Luft-kurort Albersdorf. Um diesen hervorragenden Bestand an archäologischen Denkmälern für eine breite Öffentlichkeit besser zugänglich zu machen, ist Mitte 1997; das »Archäologisch-Ökologische Zentrum Albersdorf« (AÖZA) gegründet worden (vgl. AiD 4/01 64ff.), das auf einer etwa 40 Hektar großen, archäologisch und ökologisch interessanten Fläche den Eindruck und das Raumgefühl einer 5000 Jahre alten prähistorischer Kulturlandschaft vermittelt.

Ein eisenzeitliches Landschaftsrelief

Grundlage für die Landschaftsgestaltung im AÖZA sind überregionale paläobotanische und archäozoologische Untersuchungsergebnisse zur Umweltgeschichte der Nacheiszeit in Norddeutschland. Bodenuntersuchungen im südlichen Bereich des Albersdorfer Projektgebietes ergaben, dass sich die Geländeoberfläche seit der älteren Eisenzeit kaum verändert hat und somit ein etwa 2500 Jahre altes Landschaftsrelieferhalten ist. Ein bemerkenswertes Resultat für Mitteleuropa, das vor allem im Mittelalter und in der Neuzeit flächenhaften Landschaftseingriffen ausgesetzt war. In der älteren Eisenzeit bildete sich auch westlich dieser hügeligen Geestgebiete die alte Marsch, die zunächst vom Geestrand aus als Wirtschaftsraum genutzt wurde, bevor im 1. Jh. n.Chr. Siedlungen in den Salzwiesen entstanden. Große Teile der an die Geest anschließenden Marschen vermoorten während des 1. Jhts. n.Chr. und wurden erst im Rahmen der hochmittelalterlichen Bedeichungs- und Entwässerungsmaßnahmen urbar gemacht.

In vor- und frühgeschichtlicher Zeit gab es nur geringe und örtlich begrenzte Eingriffe in die Landschaft der Dithmarscher Geest, dies änderte sich jedoch mit Beginn des Mittelalters. Zahlreiche Rodungsnamen auf der Dithmarscher Geest deuten auf einen zunehmenden Eingriff in die Wälder hin. Der wachsenden Abholzung begegnete man in der frühen Neuzeit durch Waldschutzverordnungen und Neuaufforstungen, die bis heute das Bild des Waldes prägen. Zur älteren Landnutzung auf der Dithmarscher Geest liegen bislang wegen des Fehlens siedlungsarchäologischer und paläobotanischer Untersuchungen kaum Erkenntnisse vor.

Ökologische Kulturlandschaften entstehen

Trotz verstärkter Eingriffe des Menschen in die Landschaft blieben bis in das späte Mittelalter die einzelnen Siedlungskerne um die seit dem 12. Jh. belegten Kirchorte auf der Dithmarscher Geest voneinander durch Wälder und vermoorte Niederungen getrennt. Durch Entwässerung und Urbarmachung einzelner Teile der alten Marsch entstanden stauwasserreiche so genannte Sietländer, die - ebenso wie die Wälder - im Mittelalter wichtige Wirtschaftsflächen für eine wachsende Bevölkerung waren. Diese Eingriffe in die Natur führten, meist unbeabsichtigt, zu teilweise neuartigen, ökologisch sehr wertvollen Kulturlandschaften wie beispielsweise den großflächigen Heiden oder den durch Beweidung geprägten so genannten Hudewäldern, außerdem nahmen die Pflanzenarten in der agrarisch genutzten Landschaft tendenziell ständig zu.

Vegetationsgeschichte als Grundlage für den Naturschutz

Moderne Landschaftsschutzkonzepte können deshalb auch auf einer genauen Analyse der langfristigen Dynamik einer Kulturlandschaft beruhen und sollten nicht nur den Ist-Zustand berücksichtigen. Umwelt- und Vegetationsgeschichte haben somit eine große Bedeutung für den Naturschutz. Auch auf dem AÖZA-Gelände wird durch die eingeschränkte Beweidung mit alten Haustierrassen das langfristige und dauerhafte Ziel verfolgt, ein verhältnismäßig waldarmes Ökosystem herzustellen, das einer Vielzahl von Tier- und (Wiesen-)Pflanzenarten einen neuen Lebensraum bieten wird.

Europäische Kulturlandschaften - im Verbund erforscht

Die von der Arbeitsgruppe Küstenarchäologie des FTZ (Forschungs- und Technologiezentrum Westküste in Büsum) und dem AÖZA gewonnenen Erkenntnisse zur Landschaftsentwicklung und Siedlungsgeschichte sind seit Ende 2000 ein wichtiger Bestandteil des europäischen Projektes »Wege in die Kulturlandschaft«. Hierbei handelt es sich um einen länderübergreifenden Zusammenschluss von öffentlichen und privaten Institutionen, die sich der Erforschung, Vermittlung und nachhaltigen Entwicklung mehrerer regionaler Kulturlandschaften widmen.

Grundlage für das Verständnis von Kulturlandschaften ist eine in England entwickelte »Landschaftscharakterisierung«, die einzelne Teile einer ausgewählten Kulturlandschaft nach ihrer Entstehungszeit oder nach anderen Kriterien ordnet und flächenhaft kartiert. Das EDV-gestützte Erfassen von Denkmälern und Landschaftsteilen erfolgt dabei mit Hilfe eines Geografischen Informationssystems (GIS).

Die von FTZ und AÖZA durchgeführten archäologischen und geografischen Grundlagenforschungen zur Kulturlandschaftsgenese der Geest sollen im Rahmen des Projektes erste Akzente für ein nachhaltiges Management des Geestraumes setzen. Für das Küstengebiet Nordwestdeutschlands, Dänemarks und der Niederlande sind im Rahmen des LANCEWAD-Projektes sogar bereits Vorschläge zu einem nachhaltigen Umgang mit dem Kulturerbe erarbeitet worden.

Vermittlung und Management der Kulturlandschaft

Zur Vermittlung der Kulturlandschaft werden vor Ort Lehrpfade eingerichtet und Seminare abgehalten, zusätzlich bietet die seit dem Herbst 2001 eingerichtete Internetpräsentation Informationen zu dem Projekt an und fungiert als überregionale Kommunikationsplattform. Die Denkmälergruppen der Kulturlandschaften sind vor Ort ausgeschildert. In Dithmarschen kann hier auf das bereits vorhandene, ebenfalls mit Mitteln der Europäischen Union geförderte »Touristische Leitsystem« zurückgegriffen werden, das vom Verein für Dithmarscher Landeskunde, der Arbeitsgruppe Küstenarchäologie des FTZ und der Touristikzentrale des Kreises Dithmarschen erarbeitet wurde und als Teil eines kulturtouristischen Gesamtkonzepts interessierte Besucher zu den Denkmälern leitet

und sie dort informiert. Für ein nachhaltiges Landschaftsmanagement, das berechtigte ökonomische Interessen mit dem Landschafts- und Denkmalschutz verbindet, ist der Kulturtourismus wichtig. Hier internationale Standards zu erarbeiten ist eine weitere Aufgabe des Projektes »Wege in die Kulturlandschaft«.

Wanderwege zur Kulturlandschaft

Wie bei den anderen n Projekten wird auch in und um Albersdorf das kulturelle Erbe der Region entlang eines »Kulturpfades« veranschaulicht, dessen Ausgangspunkt der »jungsteinzeitliche« Landschaftspark des AÖZA ist. Im Herbst 2002 soll eine Wanderkarte für die Region erscheinen, die sich vor allem - auf Grundlage der GIS-Kartierung - den gut erhaltenen und öffentlich zugänglichen Denkmälern der Jungsteinzeit widmen wird, deren bedeutendes Beispiel das Albersdorfer Erdwerk ist. Diese 1992 aus der Luft entdeckte Wall-Graben-Anlage aus der Trichterbecherkultur hat einen Durchmesser von 180 m und liegt auf einem Geländesporn. Neben Albersdorf gibt es nur in Büdelsdorf bei Rendsburg und Rastorf südlich von Kiel weitere Anlagen dieser Art in Schleswig-Holstein. Kleinere, zwischen 1993 und 1995 durchgeführte Sondagen des Museums für Dithmarscher Vorgeschichte ergaben, dass das Albersdorfer Erdwerk gleichzeitig mit den nahen Großsteingräbern auf dem AÖZA-Gelände um 3 200 v.Chr. entstanden sein könnte. Es hat aber offenbar nicht lange seine Funktion erfüllt.

Ausblicke

Mit dem Abschluss des europäischen Projektes »Wege in die Kulturlandschaft« Ende 2003 werden für die Geest um Albersdorf in Dithmarschen neben einer GlS- gestützten Dokumentation der wichtigsten Denkmälergruppen auch Empfehlungen für einen nachhaltigen Umgang mit dem Kulturerbe vorliegen.

Ausgeschilderte »Kulturpfade«, ein Wanderführer zur Kulturlandschaft, die Internetpräsentation, eine mobile Ausstellung und die abschließende Publikation aller europäischen Einzelvorhaben des Projektes bieten dem Besucher dann viele Möglichkeiten zu einer unmittelbaren und faszinierenden Begegnung mit der Kulturlandschaft in und um Albersdorf.

Das jungsteinzeitliche Erdwerk vom Albersdorfer Dieksknöll aus der Luft gesehen. Unten links sind die Einhegung und die Lage am Hang der Gieselau zu sehen, oben rechts ein Blick auf Albersdorf.
Auf einer etwa 4 Hektar großen Fläche entstand in gut einem Jahr Bauzeit eine »jungsteinzeitliche« Siedlung mit Hausrekonstruktionen, die seit dem Sommer 2002 als Freilichtanlage zu besichtigen sind.
Das Geländemodell vom Archäologisch-ökologischen Zentrum Albersdorf zeigt den langfristig zu erreichenden jungsteinzeitlichen Zustand der Landschaft: Eine von Laubbäumen dominierte halb offene Weidelandschaft, die von den frei stehenden Großsteingrabanlagen geprägt wird.
Das relativ kleine Großsteingrab (oben) im Albersdorfer Kurpark ist eine der ältesten Anlagen dieser Art an der Schleswig-Holsteinischen Westküste. Der Gang aus Findlingen führt in die teilweise noch erhaltene Grabkammer der Zeit vor ungefähr 5 200 Jahren.
Der berühmte Schalenstein von Bunsoh befindet sich als Deckstein auf einer Großsteingrabkammer. Mit seinen vielen figuralen Darstellungen (Hände, Füße, Radkreuz) ist er wahrscheinlich in die frühe Bronzezeit zu datieren.
 

In die Landschaft eingepasste Beschilderungen und ein Nummernpfad mit Wanderkarte dienen dem Besucher in der »Steinzeitlandschaft« als Orientierungshilfe.

An mehreren Stellen wird die Grabenspur des Erdwerks von Lücken unterbrochen. Hier lagen die Zugänge zur Anlage.

Computergestützte Erfassung einer prähistorischen Kulturlandschaft südlich von Albersdorf. Varnetz-Computergrafik des Gieselautals mit Erdwerk (links) zwischen Gieselau (lange dunkle Linie) und einem Nebenbach sowie Großsteingräbern (Rauten) und bronzezeitlichen Grabhügeln (Halbovale, schwarz = erhalten, weiß = zerstört) , Norden oben. Die Rasterlinien messen 1 x 1 km.

Zu den Haustieren der steinzeitlichen Bauern gehörten neben Rindern, Schweinen und Ziegen auch Schafe. Aus dem östlichen Bereich der Trichterbecherkultur liegen Knochenfunde von sog. Vielhornschafen - wie sie auch im Albersdorfer Steinzeitpark extensiv gehalten werden - vor.
 


 
design: Kai M. Wurm
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