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Frankfurter Rundschau, 17.04.2003

Suche Partner, biete ökologische Außenstelle

by Anne Loreni


Ein Angebot, das Senckenberg sich nicht zu machen scheut: Forschungsinstitut und Uni-Ableger turteln im Spessart

Im Spessart gibt es schon lange keine Ruhe mehr. Dafür um so mehr Wissenschaftler. Neben der Goethe-Universität, die in Schlüchlern ihre Ökologische Außenstelle betreibt, hat Senckenberg im Lorsbachtal nahe Biebergemünd seine Mittelgebirgsforschung etabliert. Derzeit laufen Verhandlungen, beide Institute zusammenzufassen - die ökologische Außenstelle braucht eine neue Heimstatt.

Das alte Bahnhofsgebäude liegt idyllisch zwischen Wald und Wiese. Im Hausflur riecht es leicht nach Alkohol - kein wunder, bei den Mitarbeitern. Oder doch nicht? Kein Rest früherer Gelage im Wartesaal: Der Geruch dringt aus Vitrinenschränken, aus Gläsern mit "Eingemachtem": Ringelnatter, Blindschleiche, vielerlei Käfer. In der Lochmühle im Lorsbachtal bei Biebergemünd im Spessart, einst Endstation einer Erz-Bahn und seit 1969 Außenstelle der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt, wird ernsthaft gearbeitet. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter erforschen das Mittelgebirge: Gewässerökologie, Geobotanik, Geomorphologie dazu Naturschutz und Regionalentwicklung sowie Kulturlandforschung. Im Sommer könnte ein neuer Zweig dazukommen. Senckenberg verhandelt, wie es der Direktor des Forschungsinstituts und Naturmuseums, Fritz Steininger, anklingen lässt, mit der Goethe-Universität wegen der Zukunft der ökologischen Außenstelle in Schlüchtern. Dieser Uni-Dependance droht die Schließung.

"Hier ist niemand, der sagt: "Ich mach' das", bedauert Professor Wolfgang Wiltschko. Der Biologe ist Leiter der Uni-Außenstelle. Er geht im Sommer in den Ruhestand, und sein Ausscheiden hat die Bestandsfrage akut gemacht. Sie wird in einer Zeit gestellt, in der ohnehin gespart werden muss. "Wir wurden von 17 Professoren auf neun runtergeschraubt", sagt Wiltschko. Er befürchtet, dass "Forschung im Fachbereich Biologie nicht mehr vorgesehen ist".

Wie die Senckenberg-Kollegen rund 50 Kilometer weiter südlich im Wald wird hier in der Natur gearbeitet, weniger im Labor. Seinen Spitznamen "Meisen-Kaiser" hat sich der Ornithologe Karl-Heinz Schmidt, Gesamtschullehrer und Lehrbeauftragter der Uni, in den vergangenen 26 Jahren redlich verdient. Unter seinen Fittichen entstanden Langzeitstudien beispielsweise über Klima, Veränderungen und Brutverhalten oder über die Auswirkungen versauerter Böden auf die Bruterfolge von Singvögeln. Zurzeit arbeiten in Schlüchtern Nachwuchs-Wissenschaftler an acht Doktorarbeiten und drei Diplomarbeiten. Mit Aktionen wie "Vogelkunde für Kids" ist die Außenstelle in der Bevölkerung verankert.

Sowohl der Forschungsauftrag als auch die fehlende Berührungsangst gegenüber der Öffentlichkeit bilden Gemeinsamkeiten der beiden Institute. Senckenberg-Direktor Fritz Steininger hatte vor einiger Zeit bei der Uni angeklopft, um auf seinen wissenschaftlichen Waldbahnhof aufmerksam zu machen - der in seinem akademischen Netzwerk ohnehin mit der Uni kooperiert. Im Lorsbachtal, seit 1969 Forschungsstation, seien sowohl personelle wie räumliche Kapazitäten, um die Schlüchterner aufzunehmen und Synergie-Effekte zu nutzen. "Zur Not können wir aufstocken", lockt Steininger.

In der Lochmühle ist seit zwei Jahren Peter Haase Chef. Als einziger fest angestellter Wissenschaftler arbeitet er mit sieben Doktorandinnen und Doktoranden mit befristeten Verträgen, mit technischen Assistenten, ehrenamtlichen wissenschaftlichen Mitarbeitern und Zivildienstleistenden sowie jeweils einem Absolventen eines Freiwilligen Ökologischen Jahres zusammen. "Es ist einfach toll, was hier geleistet wird", lobt Steininger die Arbeit des Teams.

Peter Haase hat sich mittlerweile zum Spezialisten zum Anbohren von Geldquellen entwickelt. Für die Deutsche Bahn beispielsweise wurden Raumempfindlichkeitsstudien für den Bau der ICE-Trasse durch den Spessart erarbeitet. Das Land Thüringen bezahlte eine gewässerökologische Studie als Unterbau für die Sanierung ihres Bachnetzes. Die EU finanziert die Erarbeitung von Standards bei der Fließgewässerbewertung und von Naturschutz-Richtlinien. Das hessische Landwirtschaftsministerium lässt sich hier rote Listen für bedrohte Tiere anfertigen.

Und seit 1999 stecken sowohl Senckenberg als auch die EU Geld in das "Spessart-GIS": Ein geografisches Informationssystem auf digitaler Basis.

Virtuose auf diesem Instrumentarium spielt Jürgen Jung. Der promovierte Geologe [diplomierte Geograph] nimmt von einem digitalisierten Brett mit einer Landkarte vom Spessartraum zwischen den Flüssen Main, Kinzig und Sinn die Daten auf und lässt seinen Computer speichern, reorganisieren, modellieren und analysieren.

Auf Mausklick erscheint eine Karte mit Gewässernetz, mit Angaben über die reale Landnutzung, über die verschiedenen Höhenschichten oder, als Kombination, eine Karte mit historischen Handelswegen und Fließgewässern. "Man erkennt, dass die Wege entlang der Wasserscheiden verliefen", erklärt er. Damit wurden größere Höhenunterschiede vermieden. Wer erst mal bei Schlüchtern die Höhe erklommen hatte, konnte fast ebenen Wegs nach Südosten bis zum Mainufer wandern - wichtige Informationen über ein weiteres Projekt: Die Anlage von kulturhistorischen Wanderwegen. "Hier gab es ja nicht nur Wald und Räuber", erläutert Peter Hasse, "hier haben wir 8000 Jahre Kulturgeschichte."

Die Außenstelle der Uni würde nach Ansicht der Senckenbergianer gut in dieses Bukett passen. Es werde verhandelt, heißt es aus der Umgebung des Uni-Kanzlers Wolfgang Busch. "Das wäre schön", kommentiert Wiltschko das Angebot.

 

Virtuose auf dem Spessart-GIS: Geologe Jürgen Jung hat auf seinem Computer spezielle geografische Software, die ihm den Spessartraum, seine Flüsse, Hügel und historischen Handelswege in digitaler Form verfügbar macht. Mit nur einem Mausklick, versteht sich.


 
design: Kai M. Wurm
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